Die Villa Plüskow in Graurheindorf

Villa Plüskow. Federzeichnung von Carl von Plüskow, ca. 1900 (DERING, S.39)

In Graurheindorf, einem nördlichen Vorort von Bonn, lag direkt über dem Hochufer des Rheins die Villa Plüskow, benannt nach dem Erbauer Carl von Plüskow. Die Familie verkaufte 1912 das etwa 1860 erbaute Anwesen an einen nicht mehr bekannten Besitzer. 1

Im folgenden Jahr mieteten Elisabeths Bruder Walter und ein weiterer Chemiestudent namens Franz Kiel die Villa. Vor allem Kiel wollte dort eine Künstlerkolonie begründen. Die Bewohner oder mehr oder weniger regelmässigen Besucher waren neben den Mietern Franz Henseler, Ernst Moritz Engert, Karl Otten - und eben August Macke, der sich schnell mit Henseler anfreundete. "Nach dem morgendlichen Bad im Rhein spazierten sie in Bademänteln den Leinpfad entlang eifrig diskutierend. Manchmal schloss sich eine Segelfahrt auf dem Segelboot 'Bobbi', das Walter Gerhardt gehörte, an." 2

Walter Gerhardt und sein Schwager August Macke, die ja eigentlich in der Bornheimer Strasse wohnten, hatten in der Villa "je ein Feldbett als Schlafgelegenheit, damit sie nach den oft bis in die frühen Morgenstunden ausgedehnten Zusammenkünften nicht mehr nach Hause zu gehen brauchten, da ja damals noch keine Fahrgelegenheit zu so später oder früher Stunde nach Bonn bestand." 3

Elisabeth, Mackes junge Ehefrau, beschrieb viele Jahre später das beschwingte Boheme-Leben:

„Im Sommer [vermutlich 1913] kam abends oft eine fröhliche Gesellschaft zusammen. So aus den bürgerlichen Kreisen der kunstliebende Buchhändler Friedrich Cohen mit seiner schönen Frau Hedwig, geborene Bouvier, Lucia, die Schwester von Franz Kiel. [...] Ab und zu kam auch Paul Seehaus und aus dem nahen Brühl Max Ernst dazu. Es wurde dann ein langer Tisch unter den Bäumen, in denen Lampions aufgehängt waren, gedeckt. Für das leibliche Wohl sorgten dann meist meine Mutter und ich, ebenso Frau Cohen. Wir richteten zu Hause Brote und alles, was zu guten Bowlen nötig war und ich erinnere mich, daß ich mit den beiden Mädchen meiner Mutter alles in Körben dort hinaus schleppte, dabei durften die holländischen Tonpfeifen, die man in der Josefstraße in einem kleinen Tabaklädchen (von holländischen Schiffern) kaufen konnte, nicht fehlen. Sie standen in einer in Kandern im Schwarzwald von Macke mitgebrachten langen Vase zum allgemeinen Gebrauch bereit. Zu später Stunde sang Franz Kiel alte Lieder zur Laute, was sehr schön in diese stimmungsvollen Stunden paßte, wo man die wenigen Lichter von den liegenden Schleppern in den dunklen Wassern des Rheins glitzern sah.“ 4

Die idyllischen Erinnerungen von Elisabeth Macke ergänzt ihr Bruder Walter Gerhardt: „Es fing sehr lustig und stimmungsvoll an, endete aber mit unendlicher Besäuftheit bei Kolonisten und Gästen. Am anderen Morgen stürztest du (d.i. Macke) dich mit Henseler gleich in den Rhein." 5

Mit der Zeit kam Macke aber immer seltener in die Villa, dafür kamen die "Rheindorfer" immer öfter in sein Haus und sein Atelier an der Bornheimer Strasse.

Und: Der "Sommer ohne Herbst" (Otten) ging am 1. August 1914 mit dem Kriegsbeginn jäh zu Ende; keine sechs Wochen später war August Macke tot - am 26. September 1914 fiel er in der Marneschlacht.

Die Villa bestand noch bis 1981; inzwischen steht dort ein Neubau.


1 zum folgenden siehe DERING, S.39 (siehe Literaturverzeichnis), auch Elisabeth Erdmann-Macke: Begegnungen, S. 163 ff.

2 Elisabeth Erdmann-Macke 1977, nach: Dering, S.43.

3 Elisabeth Erdmann-Macke 1977, nach: Dering, S.45.

4 Elisabeth Erdmann-Macke 1977, nach: Dering, S.49.

5 Walter Gerhardt, nach: Dering, S.49.

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established 23.10.2012, updated 29.12.2012