›Erklärt Pereira‹ vor Ort

Spurensuche in Lissabon 2019

In seiner Erzählung ›Erklärt Pereira‹[1] von 1994 führt uns der Autor Antonio Tabucchi in das Lissabon des Jahres 1938. Ein „Dr. Pereira“ gibt darin zu Protokoll – deswegen auch der Titel –, was er im Sommer dieses Jahres erlebt und was ihn zu einer schwerwiegenden Entscheidung geführt hat.

Dr. Pereira ist ein kränklicher Witwer, der – wenn er ehrlich zu sich ist – einräumen muss, dass er ein ziemlich trostloses Leben führt. Er ist – nach vielen Jahren als Lokalreporter – Kultur-Redakteur der Lissaboner Abendzeitung ›Lisboa‹, einer Ein-Mann-Redaktion. Seine Frau ist vor Jahren gestorben, Kinder hat er nicht.

Bei seiner Suche nach neuen Themen für die Kulturseite trifft er auf einen jungen Mann und eine junge Frau, mit denen er zunächst anregende Unterhaltungen führt, deren Textbeiträge aber nicht zur Veröffentlichung geeignet sind, weil oppositionell: In Portugal herrscht seit 1933 António de Oliveira Salazar mit eiserner Faust. Es ist eine konservativ-autoritäre Diktatur mit Pressezensur, Verbot politischer Parteien, einer freien Meinungsäußerung und Streiks und Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Oppositionelle werden verfolgt, gefoltert und ermordet.

Pereira kann zwar ihre Texte in der Zeitung nicht unterbringen, unterstützt die beiden dennoch mit Geld und Hilfestellungen. Im Laufe mehrerer Wochen wird ihm klar, dass die beiden und ein weiterer Mann im Untergrund arbeiten. Seine Zweifel und seine Unsicherheit bespricht er – nur sehr allgemein - mit einem Arzt, der ihm rät, sich für Neues zu öffnen.

Als der junge Mann in Pereiras Wohnung von der Geheimpolizei PIDE[2] zu Tode geprügelt wird, lässt Pereira eine entsprechende Meldung – in aller Eindeutigkeit – durch einen Trick in seine Zeitung setzen und verschwindet dann.


Im Text sind mehrere Ortsangaben enthalten, die nunmehr überprüft werden; die Seitenzahl bezieht sich auf die Ausgabe im Hanser-Verlag:

Pereira wohnt in der Rua da Saudade 22 (S. 16, 74, 132, 201), einer steilen Strasse oberhalb der Kathedrale Sé, unterhalb der Burg (Castelo); die Entfernung zur Redaktion ist beträchtlich. Das Haus # 22 und benachbarte Häuser existieren nicht mehr. Sie sind offensichtlich für die Ausgrabungen des Römisches Theaters abgerissen worden.

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Rua da Saudade # 26, rechts das Schutzdach über dem Teatro Romano.

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Rua da Saudade, aufwärts gesehen.

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Rua da Saudade, abwärts gesehen.

Die Redaktion ist in der Rua Rodrigo da Fonseca 66 (S. 11, 33, 36, 48, 130, 161 u. ö.) in der Nähe des Pombal-Platzes (Praça Marques de Pombal. Die Hausnummer 66 gibt es nicht: auf 62 folgt 70.

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Rua Rodrigo da Fonseca # 62.

Rua Rodrigo da Fonseca # 70. Vielleicht ein späterer Neubau anstelle mehrerer kleinerer Häuser?

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Rua Rodrigo da Fonseca, ein Altbau, sicher aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.


Das Cafe Orquídea ist in der Rua Alexandre Herculano 47 (S. 148 u. ö.); es liegt gegenüber der Einmündung der Rua Fonseca in die Rua Herculano.

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orquidea Haus # 47a

Am Terreiro do Paço (S. 16, 187) sieht Pereira den Fähren auf dem Tejo zu.


praca commercio Terreiro do Paço (=Palastgelände),
heute: Praça do Comércio.
duais colonnas Blick auf den Tejo,
mit einer modernen Fähre

[1] ›Erklärt Pereira‹ (ital. Originaltitel Sostiene Pereira) ist ein politisch engagierter historischer Roman des italienischen Literaturwissenschaftlers und Schriftstellers Antonio Tabucchi, der erstmals 1994 im Verlag Feltrinelli in Mailand erschienen ist. Die deutsche Übersetzung von Karin Fleischanderl erschien ein Jahr später im Carl Hanser Verlag ISBN 3-446-19547-5. Im Jahr 1995 wurde das Buch von Roberto Faenza mit Marcello Mastroianni in der Titelrolle verfilmt.

[2] Polícia Internacional e de Defesa do Estado = Internationale Staatsschutz-Polizei.

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